Wortwert.
Unser Freund Marc Weinreuter ist Fashion-Editor bei Men's Health, dem größten Männer-Lifestylemagazin der Welt. Er liebt erlesene mechanische Zeitmesser, historische Fahrzeuge, die sich duellieren, und geschliffene Sentenzen. Wir trafen den Wertschätzer zum Gespräch – auf Distanz, versteht sich.
Die Corona-Pandemie hat den Terminkalender unserer Branche und die privaten Urlaubspläne im Sommer 2020 gehörig durcheinander gerüttelt. In all diesen Unwägbarkeiten steckt die Chance auf einen Neuanfang – dachten wir uns und haben Teile unserer letzten Gespräche einfach aufgezeichnet, um sie hier zu teilen. Denn Marc begeistert uns seit Langem: sein Stil, seine Haltung, seine hanseatische Gelassenheit (die wohnte dem gebürtigen Schwaben laut eigener Aussage schon inne, bevor er in Hamburg vor Anker ging).
Mode bedeutet ihm ziemlich viel: "Mit ihr zeigt man, wer man ist – oder wer man gerne sein möchte. Man kommuniziert mit seinem Styling: Jedes Detail erzählt etwas über seinen Träger", betont der 46-jährige Heritage-Fan und Dreifach-Vater, der total auf Sachen steht, die zeitlos und untereinander gut zu kombinieren sind. Denn das mache sich vor allem dann bezahlt, wenn man viel aus der Reisetasche lebt. "Dann muss ich in der Lage sein, aus wenigen Kleidungsstücken eine Vielzahl an Looks zu generieren." Seine Inspiration holt er sich von unterwegs: "Beruflich bedingt reise ich viel und besuche eine Menge Messen sowie zahllose Veranstaltungen. Da bekommt man viele neue Eindrücke. Es kann aber auch sein, dass ich ein Bild in einer Tageszeitung entdecke, das mich auf etwas bringt. Darüber hinaus interessiere ich mich sehr für Architektur und Einrichtungen, schätze die morbide Bildgewalt eines Francis Bacon und lasse mich gerne auch von diversen Social Media-Accounts beflügeln."
Absolut unverzichtbar ist für den Moderedakteur in diesem Herbst Denim in seiner ursprünglichen Form, also raw, tiefblau und unbehandelt. "Das Spiel mit Dress-Pants-Elementen mag ich außerdem sehr gern. Will heißen: Jeans mit Bundfalten und schmal zulaufendem Bein oder als Cargo-Variante mit großen aufgesetzten Taschen am Bein. An einem Mantel kommt diese Saison niemand vorbei! Mein Tipp: am besten mit markantem Muster und ein bis zwei Nummern größer nehmen. Denn der Oversized-Fit ist immer noch total angesagt. Und auch mit Leder wird gerade viel experimentiert. Ein Klassiker, der jetzt wieder richtig Schwung bekommt, ist Cord. Edel wirkt die fette Rippe in hellen Farben oder in kräftigen Gewürztönen wie Currygelb oder Chillirot."
Gefragt nach Marcs persönlichen Favoriten aus der aktuellen Mey & Edlich-Kollektion, steht das Aviator Jacket bei ihm ganz hoch im Kurs: "Mit dem tight sitzenden Klassiker ist man immer auf der sicheren Seite. Der coole Grünton und griffiges Ziegenvelours machen es zu einem absoluten Hingucker, der mit schwarzer, messerscharf geschnittener Wollhose und Feinstrickrolli genauso gut funktioniert wie mit einer tiefblauen Double-Denim-Montur."
Das Maloche-Hemd mit seinen typischen Workwear-Elementen würde Marc akkurat im Hosenbund versenken. "Das hört sich vielleicht spießig an – sieht aber echt cool aus! Vor allem dann, wenn das Beinkleid aus weißem Cord besteht. Dadurch erhält man nicht nur eine maximale Kontrastwirkung von hell und dunkel, sondern auch eine elegante Silhouette, welche durch das schmal zulaufende Bein noch verstärkt wird."
Seit über 16 Jahren arbeitet Marc bei Men's Health in der Moderedaktion. In dieser Zeit hat er sich durch den Besuch tausender Fashion-Shows in Mailand, Florenz, London und Paris ein fein abgestimmtes Filterprogramm zugelegt. "Darin bleiben vor allem Dinge hängen, die in traditioneller Arbeit mit Hand und Herz gefertigt werden und immer schöner werden, je länger der Zahn der Zeit daran nagt. Ich steh vor allem auf Dinge, die zwar zur klassischen Herrengarderobe zählen, aber einen bestimmten Twist besitzen. Beispielsweise eine Weste, die mit Patchwork-Flicken übersät ist oder ein traditioneller Full Brogue, welcher mit einer extra dicken Sohle ausgestattet wurde, die ihm den nötigen Schmiss verleiht. Charakterstarke Dinge mit Ecken und Kanten sind mir dabei deutlich lieber als ein langweiliges Glatt und Schön."
Egal, was gerade ansteht und in welcher Stadt er unterwegs ist, ohne diese drei Teile verlässt Marc nicht das Haus: "Neben meinem Handy, an dem ich manchmal zu viel Zeit verbringe, habe ich immer einen kleinen, scharfen Helfer in Form eines Schweizer Taschenmessers (Typ: Bonsai-Ausführung) dabei. Und eine alte Taschenuhr aus den 1920ern, die ich auf dem Flohmarkt ergattert habe. Immer, wenn ich auf Reisen bin, liegt sie auf dem Nachttisch. Ich liebe es, ihrem lauten, rhythmischen Ticken zuzuhören. Das beruhigt mich total."
Mit Blick in die Zukunft wird er seinen Kindern einen ganzen Berg Kleidung, Schuhe und "die ein oder andere hübsche Uhr" vererben, erzählt er uns. Aber ganz abgesehen von diesen materiellen Dingen geht es ihm besonders um eine gewisse Haltung: "Ich hoffe, dass ich ihnen das Bewusstsein vermittle, dass manche analogen Sachen doch nicht so schlecht sind und immer noch eine hohe Relevanz besitzen. Zum Beispiel, dass man sich über einen selbst verfassten, handschriftlichen Brief mehr freut als über eine schnöde Whatsapp. Oder dass es eine durchaus schöne Erfahrung ist, wenn man sein (echtes!) Buch zu Hause wieder auspackt und die Seiten noch nach Urlaub duften. Und natürlich, dass Lesen kein Fastfood ist, sondern auch zelebriert werden kann und muss!"
Seit Jahren besucht Marc das Rømø Motor Festival am dänischen Strand von Lakolk. "Neben den ganzen Hot Rods, Harleys und Indians fasziniert mich die Gelassenheit der Skandinavier, wenn sie in nicht materialschonender Weise mit über 150 Sachen den Strand entlangballern." Es riecht nach Benzin und der Mix aus alten Karossen, authentischen Typen und entsprechendem Lifestyle begeistern ihn jedes Jahr aufs Neue, wenn er mit seiner Kamera durch das Fahrerlager zieht. "Leider fällt das Festival diesen August aus bekannten Gründen aus. Aber nächstes Jahr werde ich wieder dabei sein – denn ich brauche dringend neue Fotos!"