Auf einen Schnack mit Rio Reisers Bruder.
Er lebte als Hausbesetzer in Berlin-Kreuzberg, arbeitete als Manager für Ton Steine Scherben und war Mitbegründer des Berliner Tempodroms. Wir trafen Gert Möbius, den jüngeren Bruder von Rio Reiser, zum Gespräch. Seit über 20 Jahren betreut er das Rio Reiser-Archiv.
Gert, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Gespräch nehmen. Der Tag der deutschen Einheit wiegt in vielen von uns schwer. Rio Reiser wird sogar ein gewisser Einfluss auf die Wiedervereinigung nachgesagt. Könnten Sie das konkretisieren, welchen Einfluss hatten seine Konzerte in der Werner-Seelenbinder-Halle genau?
Gert Möbius:
„Die beiden Konzerte die mein Bruder Anfang Oktober 1988 in der Berliner Seelenbinder-Halle gab, waren für diejenigen die dabei waren, eine bleibende Erinnerung. Bei dem Song „Der Traum ist aus“ ist die Stimmung im Saal nahezuexplodiert. Die 12.000 Zuschauer im Saal sangen und trampelten an beiden Abenden bei dem Refrain des Songs „Dieses Land ist es nicht“ so extrem, dass das DDR-Fernsehteam ihre Kameras ausgeschaltet haben. Das spielte sich ja noch ein Jahr vor dieser friedlichen Revolution in dieser DDR ab.“
Was viele nicht wissen – Rio Reiser – hatte auch in einem Schimanski-Tatort mit seiner Band einen Auftritt und schrieb drei Songs für den Soundtrack. Ganz ehrlich, wäre Rio Reiser der bessere Schimanski gewesen?
„Rio Reiser und der Schimanski Götz George verstanden sich sehr gut, aber mein Bruder hatte andere Verpflichtungen als Musiker, er hat ja später (1995) noch mal eine Hauptrolle in einem „Tatort“, der Film von Hans Növer hieß „Im Herzen Eiszeit“.“
Gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Peter waren Sie und Rio schauspielerisch tätig. In welcher schauspielerischen Übung konnten Sie Rio nichts vormachen?
„Unser Theater „Hoffmanns Comic Teater“ war ein Maskentheater. Man wusste als Außenstehender nie, wer unter der jeweiligen Maske als Schauspieler agierte. Aber Rio, wenn er einen Song zu diesen Stücken sang, nahm dann seine Maske doch ab. Er war auch immer ein guter Schauspieler. Meine Brüder Peter, Rio und auch ich waren schon auf Grund unserer familiären Verbindung schon sehr früh gemeinsam kulturell unterwegs.“
Es gab auch mal eine Verbindung zu Claudia Roth. Wie ist eigentlich diese Geschichte genau verlaufen?
„Claudia Roth kannten wir noch aus Unna, und wir drei Brüder und viele andere hatten 1981 gemeinsam ein Theaterstück „Märzstürme“ in der Region aufgeführt. Der Keyboarder Martin Paul, der Begleitcombo, war der Freund von Claudia. Ein Jahr später holte Rio Martin für seine Ton Steine Scherben Band ihn als Keyboarder nach Fresenhagen [Anm. d. Red.: Rio Reiser-Haus].
Und mit ihm kam kurze Zeit später auch Claudia Roth nach Nordfriesland, nach Fresenhagen. Sie sah dort das Chaos und begann als muntere Schwäbin dort wieder relative Ordnung einzuführen. Sie übernahm später das Management der Band, und es gelang ihr innerhalb eines Jahres auch die finanzielle Krise der Band abzumildern. Und das war auch nicht immer sehr einfach. Aber jetzt ist sie ja Ministerin für Kultur geworden.“
Sie sprachen gerade bereits von Fresenhagen. Hier lebte der König von Deutschland, eben in Norddeutschland. Was war das Besondere am Rio Reiser-Haus?
„Bis zu dem Tod von Rio Reiser 1996 wohnten in Fresenhagen eigentlich nur noch R.P.S. Lanrue [Anm. d. Red.: Gründungsmitglied von Ton Steine Scherben] mit Family, und Rio mit seinem Freund Jan Bajen in Fresenhagen. Nach dem Tod von meinem Bruder nahmen wir es uns vor dieses Haus zu erhalten und es zu einem Rio Reiser Haus ausbauen. Ich habe dort ein Museum eingerichtet, die Scheune zu einem Veranstaltungssaal ausgebaut, ein Tonstudio installiert und die Räume so renoviert, damit dort auch Gäste übernachten konnten.
Und übrigens haben in Fresenhagen später viele bekannte Bands gespielt z.B. : Söhne Mannheims, Marianne Rosenberg, Juli, Keimzeit, Fehlfarben, Achim Reichel, Stoppok, Kettcar und viele, viele andere.
Gert, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.