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„Der Teufel ist einfach der Geschmeidige.“

Auf ein Wort zum Thema Tod und Teufel mit Professor Hansen, einem deutschen Literaturwissenschaftler und Museumsdirektor a. D. Goethe-Museum, Düsseldorf.

Professor Volkmar Hansen, Literaturwissenschaftler, Museumsdirektor a. D. Goethe-Museum, Düsseldorf

Es ist ein regnerischer Tag in Düsseldorf. Der Wind peitscht gegen die Scheiben eines kleinen Cafés in der Innenstadt, es ist Mittagszeit, die Menschen eilen mit aufgestellten Kragen und zu Boden gerichteten Blicken durch die Straßen. Wir sind verabredet mit Herrn Professor Hansen. Er selbst hat lange Zeit an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Literaturwissenschaft gelehrt, Vorträge in Hamburg, Basel, Tokio, Los Angeles gehalten. Ein Mann, der Wärme ausstrahlt, dessen Augen eine Idee davon geben, mit wie vielen jungen Menschen er bereits philosophiert und in ihnen das Feuer entfacht hat. Das gelingt ihm auch bei uns – wir sprechen mit ihm über das Thema Tod und Teufel.

Herr Professor Hansen, vielen Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben. Woran denken Sie als Erstes, wenn Sie Tod und Teufel hören?

„Die Freude ist ganz meinerseits. Bei dem Titel der Ausstellung kam mir direkt ein weiteres Wort in den Sinn. Rittertum. Tod, Teufel und Rittertum. Dürer hat als Erster diese Begriffe zusammengebracht (Anm. d. Red.: Kupferstich von Dürer aus dem Jahr 1513). Wenn man Dürers Werk betrachtet, kommt direkt eine Frage auf: Wie komme ich im Leben durch? Bei Dürer geht der Reiter durch ein Tal, die Darstellung, die Dürer hier wählt, ist absolut düster. Doch schon auf diesem Stich kommen einige wichtige Symboliken auf, die heute noch interessant sind. Blättern Sie nur durch die Todesanzeigen, sind Ihnen hier schon mal die Symboliken aufgefallen? Manchmal sind Häschen auf den Anzeigen, all das geht auf Dürer zurück.“

Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Rezeption des Themas Tod und Teufel in der heutigen Zeit. Blicken wir gemeinsam auf die Literatur – welche Figur hat in der deutschen Literaturgeschichte eine große Wirkung auf die Rezeption des Teufels?

„Einer fällt mir hier zuallererst ein. Der Faust mit seinem Mephistopheles. Goethes Faust beruht auf dem historischen Dr. Faustus, der Mephistopheles dient ihm schon damals. Aus 1587 ist die Erzählung, die Historia von Dr. Johann Fausten. Jedenfalls markiert die Historia, nach Vorstufen im Mittelalter, den Beginn der neuzeitlichen Teufelsbündnisgestalten. Ja, 1600 bricht regelrecht ein Hype aus um die Figur des Teufels. Der flacht dann ab. Und mit Goethe kommt er wieder zurück. Und der Teufel wird anders wahrgenommen. Bei Goethe ist der Teufel eben auch ein Schlauer. Okay, zum Schluss ist er der Verlierer, aber wenn Sie sich zeitgenössische Darstellungen ansehen, dann hatte der Teufel vormals sonst immer etwas von einem Bauern.“

Warum gelingt es Goethe, die Teufelsdarstellung nachhaltig zu verändern?

„Nun ja, Goethes Faust entwickelt sich zu einem Volksstück, das durch die Jahrhunderte geht. Und damit nimmt der Teufel seinen Lauf. Goethe hat auch den Vorteil, dass er eine altdeutsche Geschichte auffrischt und sie anders, besser erzählt. Das war schon immer beliebt. Stichwort Volksmärchen. Das gelingt dem Altmeister. Jedenfalls kennt jeder den Faust. Und er ist in allen Schichten vertreten.“

Wie stellt Goethe denn den, sagen wir, Urtyp des Teufels dar?

„Auf jeden Fall hat er keine Hörner [lacht]. Mephisto ist eher geschmeidig, er kann sich anpassen und ist in der Lage zu verführen – die Gretchenfrage wird Ihnen ja im Gedächtnis sein. Durch teuflische Kräfte wird Gretchen gewonnen, und dafür setzt er alles in Kraft. Ein Bild, was sich auch auf die spätere Literatur übertragen lässt. Nur ist der Teufel dann nicht immer gleich der Teufel. Es ist zum Beispiel um 1900 häufig die Frau, die Femme fatale, die eben nicht die klassisch diabolischen Züge hat, sondern Fragezeichen aufwirft und so für schwierigen Wirbel sorgt.“

In Frankreich gab es das Grand-Guignol, das die Zuschauer erschauern und reihenweise in Ohnmacht fallen ließ. Wie war die Entwicklung auf den Bühnen in Deutschland?

„Mit Frankreich sprechen Sie das richtige Land an. Durch Frankreich ist die Art der schauerhaften Inszenierung bekannt geworden und sie kommt später nach Deutschland. Hier spielt Düsseldorf eine große Rolle. Klaus Mann, der Sohnemann von Thomas Mann, veröffentlichte 1936 einen Schlüsselroman, Mephisto. Dabei wird die Laufbahn von Gustaf Gründgens nachempfunden – im Buch wird die Position von Gründgens zur Nazizeit thematisiert, das Buch wird später sogar verboten. Deutschland bewegt aber zu der Zeit leider eh etwas Diabolisches, das wollte man nicht unbedingt noch sehen.“

Sie sprechen mit dem Roman von Klaus Mann quasi eine Nachfolgerrolle von Goethes Mephisto an. Gibt es noch weitere Nachfolger?

„Und ob, denken Sie nur an Thomas Manns Doktor Faustus. Er ist ein Darsteller des Todes. Ein Roman, der absolut in die Zeit passt und sie kritisch übersetzt. Thomas Mann hat Doktor Faustus in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs begonnen und 1947 mit einem Riesenerfolg veröffentlicht. Hier werden ganz zeitgenössische Fragen beleuchtet. Wie konnte Deutschland überhaupt in diese Lage geraten, welcher Teufel war hier am Werk? Das ist absolut nationalkritisch.“

Wenn Kinder den Teufel zeichnen, dann sind die Darstellungen recht ähnlich. Woher kommt das? Wie wird der Teufel in der Literatur gern dargestellt?

„Ja, es gibt den Prototyp, auch in der Literatur. Der Teufel ist häufig rothaarig. Diese Farbe steht fürs Höllenfeuer. Es ist die subtile Übertragung des Höllenfeuers in die Wirklichkeit. Zumindest, wie es sich vorgestellt wird. Und – gern wird er auch primitiv dargestellt, mit Hörnern und rotem Frack. Heute wird eher das teuflische Aussehen suggeriert, denken Sie nur an Vampirgeschichten oder Dracula, das Aufblitzen der Augen, der Blick der Entschlossenheit.“

Zu Beginn unseres Gesprächs sprachen Sie von der Teufelsdarstellung des Mittelalters, noch heute gibt es genug Serien, die sich mit Vampiren und Horror auseinandersetzen. Welche Faszination löst der Teufel aus? Warum wird sich überhaupt in der Literatur mit dem Teufel beschäftigt?

„Nun, wenn man es so nimmt, der Teufel hat Superkräfte. Er kann Dinge umkehren, leider nur meistens ins Negative. Und Sie können hier ein ähnliches Phänomen wie bei Kindern beobachten, der Teufel hat einen Gruseleffekt. Die Beschäftigung mit ihm regt an. Und dann hört die Faszination nicht mehr auf.“

Die Ausstellung beschäftigt sich auch mit der Frage des Todes. Tod bedeutet auch Trauer, wie wird diese in der deutschen Literatur behandelt?

„Nun ja, pauschal kann ich Ihnen hierauf keine Antwort geben. Aber als kürzlich Queen Elizabeth II. gestorben ist, wurde eine dreitägige Staatstrauer anberaumt. Als würde die Trauer drei Tage andauern und danach wäre wieder alles gut. Nein, man trauert dann doch viel länger. Das ist höchst individuell. Seit der Antike ist bekannt, dass es verschiedene Riten gibt, wie getrauert wird. Das hängt natürlich vom Familiengrad ab und davon, wie die Trauer sozial abgestuft wird – einem König wird eine längere Trauer zugestanden als einem armen Knecht. Nur was klar ist: Der Tod ereilt uns alle – er steht uns allen bevor. Doch in der Literatur bringt nicht der Teufel den Tod, er kommt nicht mit seiner Gabel und verurteilt in die Hölle. Nein, das ist dann doch meist eine andere Geschichte.“

Herr Professor Hansen, wir bedanken uns recht herzlich für das Gespräch.

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