Der Verbrenner als Artefakt.
Treiber des technologischen Fortschritts, Sinnbild für Freiheit, Status-Symbol. Das Auto wird von den einen geliebt, von den anderen gehasst. Jetzt, da die Jahre des Verbrenners gezählt zu sein scheinen, erlebt es in der Kunst eine regelrechte Renaissance. Zwar war das Automobil in der Kunst des 20. Jahrhunderts fortlaufend ein beliebtes Sujet, aber was sagt seine aktuelle Präsenz in den Werken junger Künstler über unser Verhältnis zum PKW mit Verbrennermotor aus?
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Futuristen in ihrer Technologiebegeisterung ikonisiert, in der Pop-Art zur Chiffre für die Konsumkultur der 60er Jahre umgewidmet, gerät das Auto ab den 70er Jahren in der Kunst zunehmend in die Kritik. Wolf Vostells Betonskulptur „Ruhender Verkehr“ – ein einbetonierter Cadillac – ist 1969 ein ironischer Kommentar zum drohenden Verkehrsinfarkt. Im Aktionszyklus „Fetisch Auto“ inszeniert HA Schult seinen „Goldenen Vogel“ als „Denkmal der Autozeit“. Und Anfang der 2000er Jahre spielen Erwin Wurms „Fat Cars“ auf humorvolle Weise mit den Erwartungen an die Ästhetik des Status-Symbols.
Subtile Kritik
Im Windschatten des Diskurses rund um die Mobilitätswende findet der Verbrennungsmotor als Objektträger seinen Weg vielfach in die zeitgenössische Kunst. Nicht selten spielt Humor in der Auseinandersetzung eine wesentliche Rolle. Die Skulpturen des französischen Künstlers Benedetto Buffalino verwandeln Linienbusse in Swimmingpools, Strechlimousinen in Parkbänke und PKW in Tischtennisplatten und transformieren den „Eindringling“ (so empfunden als Lärm- und Schmutzverursacher) im urbanen Raum zum Ort sozialen Miteinanders. „Neuwagen“ heißt das Parfum des Duft-Künstlers Christian Kölbl (Kopfnote Pfeffer, Ozon und Lack. Basisnote u.a. Leder): olfaktorische Hommage oder ebenso geniale wie konsumkritische Geschäftsidee?
Selbstermächtigung
Die Wiener Choreografin Florentina Holzinger sitzt in ihrer „Schrott-Etüde: An Etude for Extinction“ nackt auf einem Auto, das auf zwei Rädern im Kreis fährt, lässt Fahrzeuge von zwei Kränen herunterkrachen und in Flammen aufgehen. Auf der Berlin Art Week 2023 nutzt die türkische Performerin Göksu Kunak einen schwarzglänzenden BMW als Bühne: Auf ihm posieren Bodybuilder und Frauen teilweise nackt oder in Fetisch-Outfits. Kunak treibt den Sexismus der Car Culture auf die Spitze und inszeniert gleichzeitig ihre Lust an Geschwindigkeit, Design und Sound. Für die mexikanisch-deutsche Malerin Frieda Toranzo Jaeger ist das Auto Vehikel für ihr Nachdenken über Geschlecht, Herkunft und Selbstbestimmung in einer postkolonialen Gesellschaft. Sie malt Motoren so verletzlich wie aufgeschnittene Körper auf dem Operationstisch oder verziert ihre „Autobilder“ mit traditionellen Stickereien. Aktuell sind ihre Arbeiten auf der Biennale in Venedig zu sehen.
Weder Abgesang noch Denkmal
Wir fahren (noch) Auto, wohlwissend, dass es der Umwelt nicht guttut (egal, ob mit Benzin oder Strom betankt). Mit ihm zu leben ist komfortabel, ohne bedeutet in jedem Fall Veränderung. Schließlich ist der Verbrennungsmotor, vor allem der aus deutscher Produktion, über Generationen der Inbegriff von Zuverlässigkeit, Ingenieurskunst, technischem Fortschritt und wirtschaftlichem Aufstieg gewesen – und verbunden mit vielen Kindheits- und Jugenderinnerungen. Die aktuelle künstlerische Auseinandersetzung mit dem Auto ist weder ein Abgesang noch ein Denkmal für eine Ikone, sondern spiegelt unsere unterschiedlichen Einstellungen und Meinungen ihm gegenüber wider.